August Stich, Würzburg
Chikungunya-Fieber
Ein weiteres tropisches Virus steht vor unserer Haustür: Chikungunya. Ein Grund, sich mit dem Krankheitsbild, der epidemiologischen Dynamik und möglichen Schutzmaßnahmen vertraut zu machen.
Ein seltsamer Name: Chikungunya. Aber immer mehr Kolleginnen und Kollegen, Patientinnen und Patienten versuchen sich an dem Zungenbrecher. Reisende in viele tropische und subtropische Regionen fragen neuerdings nach dem „Tigermücken-Impfstoff“. In den letzten Monaten häufen sich Berichte über neue Ausbrüche, und zum ersten Mal wurde Chikungunya im Juli 2025 auch in unmittelbarer Nähe der deutschen Grenze bei Straßburg nachgewiesen. Offensichtlich steigt weltweit die Gefahr einer Infektion mit diesem tropischen Virus.
Das Virus
Die Erstbeschreibung des Chikungunya-Virus (CHIKV) stammt aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Aber erst seit der Wende zum 21. Jahrhundert bekam der Erreger größere Aufmerksamkeit. 2007 wurde das Virus aus Indien nach Norditalien eingeschleppt und führte in der Gegend von Ravenna zu einem Ausbruch mit mehr als 200 Fällen. Der Sprung nach Europa war geschafft. Ab dann schien für das Virus ein Siegeszug zu beginnen. Bis heute berichten mehr als 120 Länder über endemische Transmission von CHIKV.
Taxonomisch gehört Chikungunya zu den Alphaviren aus der Familie der Togaviridae. Nahe Verwandte sind das O’Nyong-Nyong-Virus aus Ostafrika, Sindbis aus Nordeuropa, Mayaro aus der Karibik, das Ross-River-Virus aus Australien und verschiedene Enzephalitis-Viren der Neuen Welt.

Abb. 1 Aedes albopictus, der Hauptvektor von CHIKV

Abb. 2 Makulopapulöses Exanthem bei akutem Chikungunya-Fieber

Abb. 3 Polyarthritischer Verlauf einer CHIKV-Infektion
Die Übertragung findet über Insektenvektoren statt. Dies sind in erster Linie die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus und die Gelbfiebermücke Aedes aegypti. Beide Vektoren befinden sich in Ausbreitung und besiedeln zunehmend neue Regionen, Ae. albopictus hat es inzwischen mit stabilen Populationen ins Rhein-Maingebiet, nach Jena und bis nach Berlin geschafft (Abb. 1).
Reise- und Migrationbewegungen sowie klimatische Veränderungen haben in den letzten Dekaden das weltweite Epidemierisiko von Chikungunya dramatisch erhöht.
Klinik
Die Erkrankung hat wie die meisten tropischen Viruserkrankungen eine kurze Inkubationszeit von 2 bis maximal 12 Tagen. Im typischen Fall ist der Verlauf biphasisch, beginnend mit einer unspezifischen fieberhaften Episode. Im zweiten Krankheitsintervall, klassischerweise nach ca. 3 Tagen, kommt es zu heftigen Gliederschmerzen, dem Auftreten eines makulopapulösen Ausschlages (Abb. 2) und einer milden Lymphadenopathie. Im weiteren Verlauf entwickelten sich bei etwa 10% der infizierten Personen heftige Gelenkbeschwerden, die über Monate, manchmal sogar Jahre andauern können (Abb. 3). Todesfälle nach besonders heftigem Verlauf, manchmal sogar mit hämorrhagischen Komplikationen, kommen vereinzelt vor, besonders bei älteren und immungeschwächten Patienten mit Begleiterkrankungen.
Die Gelenkbeschwerden machen Chikungunya zu einer besonderen Krankheit. Der Name weist bereits auf die Problematik hin: In der Sprache der Makonde in Ostafrika bedeutet es „Der vor Schmerzen gekrümmt Gehende“. Die Beschwerden können so heftig sein, dass selbst junge Reiserückkehrer den Weg in die ärztliche Praxis nur im Rollstuhl oder mit Gehhilfen finden.
In den vergangenen Jahren musste man lernen, dass die Gelenkbeschwerden durchaus von organischen Korrelaten begleitet sind und CHIKV in der Lage ist, eine destruierende Gelenksentzündung auszulösen.
Eine einmal überstandene Infektion hinterlässt lebenslange Immunität.1
Diagnose
Stehen die heftigen Arthralgien in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rückkehr von einer Fernreise in endemische Regionen, handelt es sich schon fast um eine Blickdiagnose. Die Bestätigung ist möglich über den Virusnachweis in der frühen Krankheitsphase, in der Regel über RT-PCR, und den typischen Anstieg von IgM- und IgG-Antikörpern in der Folge. Es besteht eine gewisse Kreuzreaktivität zu anderen Alphavirus-Infektionen, wie z.B. dem O’Nyong-Nyong- oder dem Mayaro-Virus.
Behandlung
Wie bei allen Virusinfektionen steht die symptomatische Behandlung im Vordergrund. Eine spezifisch antivirale Therapie gibt es bei der CHIKV-Infektion nicht. Schwierig ist es bei den chronischen Verläufen, eine gute analgetische Medikation zu finden. Diese besteht aus einem stufenweisen Vorgehen aus peripher wirksamen Analgetika wie Paracetamol oder Ibuprofen und kann unter Umständen auch den Einsatz von Opiaten notwendig machen. Analog zum Vorgehen beim akuten rheumatischen Schub einer chronisch entzündlichen Gelenkerkrankung kann auch der Einsatz von Steroiden indiziert und erfolgversprechend sein. Das Vorgehen und stufenweise Ausschleichen der Steroid-Medikation kann analog zu den Therapieplänen bei anderen rheumatischen Erkrankungen durchgeführt werden.
Weltweite Verbreitung
Bis Ende 2024 hatten 119 Länder und Gebiete lokale CHIKV-Transmissionen berichtet; 2025 wurden neue Ausbrüche in Afrika (z.B. Kenia, Somalia), Asien (Süd-China) und dem Indischen Ozean (u. a. Réunion) sowie in Teilen der Amerikas verzeichnet. Die WHO führt laufende Situationsupdates.2 So wurden vom 1.1. bis 30.9.2025 weltweit mehr als 445.000 Verdachts- und bestätigte Fälle sowie 155 Todesfälle registriert.
Réunion berichtete 2025 eine große Welle mit mehr als 50.000 bestätigten Fällen in den ersten Monaten des Jahres und mehreren Dutzend möglichen assoziierten Todesfällen.3 Solche Ereignisse zeigen die schwer kalkulierbare Dynamik des epidemiologischen Geschehens und das Potenzial für eine Überlastung des lokalen Gesundheitswesens. Brasilien und andere Länder der Amerikas zeigen ebenfalls wiederkehrende hohe Fallzahlen. Langzeitdaten (2014–2024) dokumentieren tausende Hospitalisierungen in Brasilien.
Entwicklung in Europa
2025 wurde auch in Europa eine Zunahme lokal erworbener CHIKV-Fälle beobachtet. Frankreich und Italien meldeten signifikante Fallzahlen (Stand 1.10.2025: Frankreich 637 Fälle, Italien 323 Fälle) und mehrere lokale Übertragungscluster. Die entsprechenden Informationen werden bei der ECDC zusammengeführt.4

Abb. 4 Ausbreitung von Ae. albopictus in Europa
Die Etablierung von Ae. albopictus in zunehmend nördlichen und höher gelegenen Regionen, längere warme Jahreszeiten und Reisemobilität erhöhen das Risiko für lokale Ausbrüche. ECDC-Analysen zeigen eine starke Zunahme der Regionen mit fest etablierten Ae. albopictus-Populationen. Ae. albopictus ist tolerant gegenüber moderateren Temperaturen und ökologischen Veränderungen, daher ist seine Nord- und Höhenexpansion ein Schlüsselmechanismus für die Verbreitung in Europa. Klimatische Veränderungen (wärmere Sommer, mildere Winter, veränderte Niederschlagsmuster) begünstigen ihre Reproduktionszyklen und verlängern Übertragungsperioden für Arbovirosen.
Das Auftreten lokaler Cluster von CHIKV ist nicht mehr exotisch – in geeigneten Klimazonen kann das Virus saisonal zirkulieren; damit steigen Anforderungen an Surveillance, Frühwarnsysteme, Vektor-Kontrolle und Vorbereitung örtlicher Gesundheitsdienste.
Prävention
Die Übertragung von CHIKV ist abhängig von der Präsenz kompetenter Vektoren, vor allem der den Menschen bis in die Städte folgenden Ae. albopictus. Für die betroffenen Gemeinden ist die Beseitigung möglicher Brutstätten, z.B. Regentonnen, Wasserzisternen oder Gießkannen, von entscheidender Bedeutung. Individuen können sich mit handelsüblichen Repellentien schützen. Tigermücken sind tagaktiv, weswegen Kleinkinder während ihres Mittagsschlafes unter dem Moskitonetz ruhen sollten.
Impfungen
Die vergangenen Jahre bis 2025 waren von einer erfolgreichen Impfstoffentwicklung gegen CHIKV geprägt. Zum jetzigen Zeitpunkt sind zwei Aktiv-Impfstoffe auf dem europäischen Markt verfügbar.
Der Totimpfstoff VIMKUNYA®/PXVX0317 (Bavarian Nordic) ist ein Virus-like-particle (VLP) Vakzin.5 Phase-3-Daten ergaben hohe Serokonversionsraten, teilweise über 95%, und eine gute Verträglichkeit. Die Sicherheitsbilanz in den Zulassungsstudien zeigte keine schweren Nebenwirkungen.6
IXCHIQ®/VLA1553 (Valneva) ist ein lebend-attenuierter Einmalimpfstoff, der starke neutralisierende Antikörper induziert.7 Jedoch traten bei der massenhaften Anwendung während des Ausbruches auf Réunion unerwünschte Ereignisse (z.B. neurologische Komplikationen) bei älteren, komorbiden Geimpften auf,8 was zu regulatorischen Überprüfungen und zu zeitweiligen Einschränkungen bzw. Lizenzüberprüfungen durch die FDA (u.a. Suspendierung bzw. Aussetzung von Vertriebsoptionen im Sommer 2025) und europäischer Behörden (EMA, PEI) führte.9 Weiterhin wird eine sorgfältige und individuelle Nutzen-Risikoabwägung empfohlen.
Die Anwendung der beiden verfügbaren Impfstoffe ist derzeit von einer verstärkten Pharmakovigilanz begleitet. Zur langfristigen Dauer des Schutzes beider Impfstoffe können derzeit noch keine Aussagen gemacht werden. Hier müssen die Ergebnisse der Post-Marketing-Studien abgewartet werden.
In der Pipeline befinden sich weitere Impfstoffe bis hin zu potentiellen mRNA-Vakzinen, die den Vorteil einer höheren Flexibilität mit schnellerer Anpassung an mögliche neue Virusvarianten bieten.10
Umsetzung für die Praxis
Die Verfügbarkeit von neuen Impfstoffen stellt die Kolleginnen und Kollegen in der reisemedizinischen Beratung vor die Frage, ob und wenn ja welcher CHIKV-Impfstoff jetzt empfohlen werden sollte. Die STIKO hat über das Epidemiologische Bulletin im Juli 2025 ihre Empfehlungen zur Impfung gegen Chikungunya veröffentlicht.11 Demnach wird eine CHIKV-Impfung für solche Personen ab 12 Jahren empfohlen,
- die in ein Gebiet reisen, für das ein aktuelles Chikungunya-Ausbruchsgeschehen bekannt ist,
- die einen längeren Aufenthalt bzw. wiederholte Kurzzeitaufenthalte in Endemiegebieten planen
- und bei denen ein erhöhtes Risiko für eine Chronifizierung oder einen schweren Verlauf der Erkrankung besteht.
Viele reisemedizinische Zentren stellen inzwischen die Indikation großzügiger, was der derzeitigen Dynamik des Ausbruchs- und Ausbreitungsgeschehens von CHIKV Rechnung trägt.
Ausblick
CHIKV entwickelt sich zu einer global relevanten Bedrohung mit signifikanten Ausbruchsereignissen an vielen Orten Asiens, Afrikas, Europas und der Amerikas.12 Das Virus ist weniger temperatursensibel als manche anderen tropischen Erreger, sodass auch die Wahrscheinlichkeit der endemischen Ausbreitung in Mitteleuropa zunimmt.13 Die zunehmende Verbreitung des kompetenten Vektors überall auf der Welt tut ihr übriges.14
Demgegenüber sind die Fortschritte in der Impfstoffentwicklung beachtlich. Wieder einmal ist zu hoffen, dass der Impfstoff nicht nur für betuchte Reisende, sondern vor allem für die Menschen in den betroffenen Armutsgebieten der Welt in ausreichendem Maß zur Verfügung steht.
Literatur beim Verfasser











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