Interview mit Prof. Andreas Nitsche, Robert Koch-institut
Affenpocken – Virologische Aspekte für die Praxis


Prof. Andreas Nitsche  Berlin

Prof. Andreas Nitsche
Berlin
leitet seit 2007 das Konsiliarlabor für hochpathogene Viren am RKI in Berlin
E-Mail: NitscheA@rki.de

Pockenviren sind eine große Gruppe. Wo sind da die Affenpocken einzuordnen?

Nitsche: Die Orthopockenviren sind eine sehr spannende Gruppe. Sie sind morphologisch identisch, haben aber unterschiedliche Wirte und variieren in ihrer Pathogenität. So sind Kamelpocken nicht auf den Menschen übertragbar, während das Variola-Virus in der Natur nur beim Menschen vorkommt. Bei der Pathogenität gilt die Daumenregel je kleiner das Wirtspektrum umso höher die Pathogenität. Die Affenpocken liegen da im Mittelfeld.

Innerhalb der Gruppe der Affenpocken gibt es da Unterschiede? Werden sich wie bei SARS CoV2 Varianten entwickeln?

Nitsche:Das MPXV ist ein doppelsträngiges DNA-Virus und wird daher bei der Replikation Korrektur gelesen. Dennoch finden wir schon jetzt Varianten, deren Bedeutung aktuell aber noch völlig unklar ist. Wir stehen erst am Anfang unserer Erkenntnisse, doch es geht voran. Wir haben in den letzten Monaten mehr Information zu Affenpocken gesammelt als in 50 Jahren zuvor. Es liegen bereits 550 Vollgenome vor.

Das Krankheitsbild in Europa ist anders als in Afrika, überwiegend auf Genitale und Mund beschränkt. Ist das virologisch begründet?

Nitsche:Der klassische Infektionsweg ist der Kontakt mit Virus durch geschädigte Haut und/oder Schleimhaut. An dieser Eintrittsstelle treten dann auch die ersten Läsionen auf. Das klinische Bild ist somit vermutlich vom speziellen Transmissionsmodus bestimmt.

Wie lange sind die Betroffenen infektiös?

Nitsche: Generell gilt: Die Infektiosität kann mit dem Prodromalstadium, mit dem Auftreten von Allgemeinsymptomen, beginnen und endet nachdem alle Krusten abgefallen sind und das dauert in aller Regel 21 Tage. Aber so ganz genau wissen wir noch nicht, wie lange das Virus wo ausgeschieden wird. Wir konnten infektiöses Virus im Rachen, im Rektum, im Urin und im Sperma nachweisen. Eine sexuelle Karenz von 8 Wochen halte ich daher – solang wir es nicht besser wissen – für empfehlenswert.

Affenpocken sind eine Zoonose. Kann der Mensch das Virus auch auf Tiere übertragen, z.B. ein Haustier wie Hund oder Katze?

Nitsche:Bei engem Kontakt ist das grundsätzlich möglich. Im aktuellen Kontext der Affenpocken in Europa ist das bislang noch nicht belastbar beschrieben. Dennoch: Wäre ich betroffen, würde ich mit meinem Hund nicht im Bett kuscheln.

Wie funktioniert Transmission ohne engen direkten Körperkontakt?

Nitsche: Theoretisch ist das denkbar insbesondere durch Krusten, die extrem viel Virus enthalten, und in dieser „Verpackung“ recht umweltstabil sind. Beim Zerfall werden die Viren freigesetzt. Beobachtet wurden solche Transmissionen aber nur in wenigen Einzelfällen.

Welche Methode empfehlen Sie zur Diagnostik?

Nitsche: Am einfachsten ist der PCR-Nachweis im Abstrich von einer Läsion. Vesikel kann man mit einer Kanüle eröffnen, aber auch das mehrfache Abstreichen der Oberfläche reicht aus. Wir haben hier sehr hohe Viruskonzentrationen mit einem CT-Wert von 15 und niedriger gesehen. Auch Krusten enthalten extrem viel Virus. Schnellteste zum Nachweis von Pockenviren sind prinzipiell auch geeignet, jedoch gibt es aktuell noch keinen validierten Test.

Wie viele Labore bieten die Pockendiagnostik in Deutschland an?

Nitsche: Dazu liegen mir keine Zahlen vor. Zu Beginn war nur eine kleine Gruppe von Laboren, die für die
Bioterror-Diagnostik von seltenen Viren vorbereitet waren, beteiligt. Mittlerweile bieten auch verschiedene Großlabore eine orientierende Diagnostik an. Lediglich bei der Verarbeitung von Krusten, die homogenisiert werden müssen, sowie für die Anzüchtung ist eine höhere Sicherheitsstufe erforderlich.

Die STIKO empfiehlt die Pocken-Impfung für das Laborpersonal. Würde Sie die Impfung auch für das Praxispersonal empfehlen?

Nitsche: Ja, jede Person, die Umgang hat mit infektiösem Pocken-Material sollte ein Angebot zur Impfung erhalten – sofern es dann genügend Impfstoff gibt.

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