IAS 2025, The 13th IAS Conference on HIV Science, Kigali, Ruanda
IAS 2025Schwerpunkt Afrika – politisch und wissenschaftlich

Die IAS-Konferenz 2025 in Kigali setzte neben dem internationalen wissenschaftlichen Austausch ein starkes politisches Signal. „We wil not go back!“ Afrika braucht langwirksame Substanzen zur Therapie und zur Prävention.

Der Veranstaltungsort der diesjährigen IAS Ruanda symbolisierte bewusst die globale Verantwortung für den afrikanischen Kontinent, der nach wie vor am stärksten von der HIV-Pandemie betroffen ist. Insbesondere angesichts der drastischen US-Finanzierungskürzungen seit Anfang des Jahres, die für viele Länder Subsahara Afrikas massive Beeinträchtigungen in der HIV-Versorgung und Prävention bedeuteten, war der Kongress ein wichtiges Statement und Zeichen der Solidarität. Unter dem Motto „We Never Go Back“ forderten Akteure aus Forschung, Politik und Zivilgesellschaft eine nachhaltige und gerechte globale HIV-Strategie.

© IAS 2025 Bilder© IAS 2025

Amandla!

Bereits in der emotionalen Opening Session übernahmen Vertreter der afrikanischen Community mit lauten „Amandla“-Rufen für zwanzig Minuten die Bühne, um gegen diese Einschnitte zu protestieren und sichtbar zu werden. Amandla wurde als politische Grußformel in der Antiapartheidbewegung benutzt. So begrüßte der Sprecher eine Versammlung „Amandla“ worauf mit „Ngawethu“ geantwortet wurde. Die Bedeutung: Die Macht! – dem Volke!

Diese eindringliche Botschaft unterstrich deutlich die existenzielle Bedrohung durch das abrupte Ende von US-Programmen wie PEPFAR. Eine Studie aus Mosambik zeigte bereits erhebliche Einbrüche bei ART-Initiierungen (-25%) und Viruslasttests (-38%) und prognostizierte anhand einer Modellierung bis 2030 über 90.000 mögliche zusätzliche HIV-Infektionen und mehr als 28.000 zusätzliche HIV-bedingte Todesfälle, sollte diese Finanzierungslücke bestehen bleiben (D. Moiana Uetela et al.).

WHO-Leitlinien

Einen zentralen Stellenwert auf dem Kongress nahmen unter anderem die kurz zuvor aktualisierten WHO-Leitlinien ein, welche in der Therapie erstmals duale Regime als Switch-Strategie für virologisch supprimierte Menschen mit HIV empfahlen – sowohl in oraler Form mit DTG/3TC als auch in der Long Acting Kombination mit RPV/CAB-LA. Auch beim Thema Prävention haben hat die WHO mit Lenacapavir (LEN) als neue Prep-Option einen wichtigen Meilenstein für den weltweiten Einsatz von Long-Acting Strategien gelegt. Allerdings bleibt es trotz auf der Konferenz berichteten Fortschritten in den Verhandlungen mit pharmazeutischen Unternehmen noch ein weiter Weg bis zu Implementierung dieser Substanzen.

HIV-PrEP

Zu Lenacapavir als PrEP wurden Daten einer Subanalyse der PURPOSE- 1- Studie vorgestellt, die den Einsatz bei schwangeren und stillenden Frauen untersuchte. Im Gegensatz zu früheren Studien erhielten die Teilnehmerinnen die Möglichkeit, im Falle einer Schwangerschaft die Studienmedikation fortzusetzen. Bei insgesamt 509 beobachteten Schwangerschaften in allen drei Studienarmen (TDF/FTC, TAF/FTC, LEN) trat keine HIV-Transmission auf und bei 194 Schwangerschaften unter Lenacapavir zeigten sich keine Unterschiede hinsichtlich des Geburtsoutcomes. Die LEN-Wirkspiegel (Ctrough) blieben über alle Trimester konstant im Vergleich zu einer nicht-schwangeren Kontrollgruppe bzw. postpartum-Analysen (Abb. 1). Bei Stillenden unter LEN war der Wirkstoff nur in sehr geringer Konzentration im Säuglingsplasma nachweisbar (Bekker LG et al.).

Abb. 1   Lenacapavir-Spiegel bei schwangeren und nicht-schwangeren Frauen vergleichbar
Abb. 1 Lenacapavir-Spiegel bei schwangeren und nicht-schwangeren Frauen vergleichbar

Pipeline



In Bezug auf die Therapiepipeline wurden Daten zu zwei neuen Substanzen von MSD vorgestellt. MK-8527 ist ein oraler NRTTI (Nukleosid Reverse Transcriptase Translocationsinhibitor), der nur einmal monatlich zu HIV-PrEP eingenommen wird. Die Phase-2-Studien waren vielversprechend, so dass die Phase-3-Studien EXPrESSIVE-10 und -11 noch in diesem Jahr starten sollen (Mayer K et al.).

Abb. 2   Ulonivirin + Islatravir: Virologische Suppression zu Woche 24
Abb. 2 Ulonivirin + Islatravir: Virologische Suppression zu Woche 24

MK-8507 (Ulonivirin) ist ein neuer oraler NNRTI zur einmal wöchentlichen Einnahme. Die Substanz wurde in drei verschiedenen Dosierungen in Kombination mit 20 mg Islatravir (ISL) mit B/F/TAF bei 140 virologisch supprimierten Patient:innen verglichen. J.-M. Molina präsentierte die 24-Wochen-Daten, die zum Zeitpunkt des Studienabbruchs des Islatravir-Programms vorlagen. In allen Behandlungsarmen fand sich eine anhaltende vollständige Virussuppression (Abb. 2). Wie bereits aus früheren Studien bekannt, kam es auch hier unter der 20-mg-Dosis von Islatravir zu einem Abfall der T-Lymphozyten, der sich nach dem Absetzen der Studienmedikation jedoch remittierte. Insgesamt bewertete die Studienleitung die Kombination als vielversprechend, sodass nun eine neue Studie mit
Ulonivirin 200 mg und Islatravir 2 mg in die klinische Prüfung geht.

LA bei Virämie

Abb. 3  OPERA-Kohorte: Real World Switch auf CAB+RPV-LA bei nachweisbarer Viruslast
Abb. 3 OPERA-Kohorte: Real World Switch auf CAB+RPV-LA bei nachweisbarer Viruslast

Ein weiterer Schwerpunkt lag auf Long-Acting-Therapien für Patient:innen mit besonderen Herausforderungen. Die IMPALA-Studie untersuchte die Wirksamkeit von Cabotegravir/Rilpivirin (CAB/RPV) bei dokumentierten Adhärenzproblemen im afrikanischen Setting. Die Teilnehmenden mussten jedoch vor Studienbeginn mindestens drei Monate lang unter oraler Standardtherapie (TDF/3TC/DTG oder TDF/3TC/EFV) eine Viruslast von <200 Kopien/ml erreicht haben. Die Proband:innen wurden nach Randomisierung entweder auf CAB+RPV-LA umgestellt oder die orale Standardtherapie (SOC) weitergeführt. Nach 96 Wochen zeigte sich eine vergleichbare Virussuppression (CAB+RPV-LA mit 91% vs 89% SOC). Allerdings kam es im CAB+RPV-LA-Arm bei 1,9% (n=5) der Teilnehmenden zu einem virologischen Versagen, während im SOC-Arm kein solcher Fall beobachtet wurde (Cresswell FV et al.).

Ähnliche Ergebnisse aus einem anderen Versorgungssetting lieferten die Real-World-Daten der OPERA-Kohorte aus den USA. Die analysierte Subgruppe umfasste Menschen mit HIV, die zwischen 2021 und 2023 mit nachgewiesener Virämie erstmals auf CAB/RPV-LA umgestellt wurden. Auch hier zeigten sich erstaunliche stabile Ergebnisse in dieser vulnerablen Gruppe: 82% hatten beim letzten Follow-up eine nicht nachweisbare Viruslast (Hsu et al., IAS 2025). Die Rate virologischer Versagen lag bei 1% (n=3) und entsprach damit den Beobachtungen aus anderen klinischen Studien (Abb. 3) (Hsu R et al.).

Vorgehen bei AIN

Auf der Konferenz stieß eine unter deutscher Leitung durchgeführte Studie aus dem Bereich HPV-assoziierter Erkrankungen auf großes Interesse: die TECAIN-Studie, eine prospektive, randomisierte Nichtunterlegenheitsstudie zur Behandlung analer intra-epithelialer Neoplasien (AIN) bei HIV-positiven Personen (Esser et al.). Ziel der Studie war es, die Wirksamkeit von Trichloressigsäure (TCA) im Vergleich zur ablativen Elektrokauterisation (ECA) zu bewerten. Eingeschlossen wurden HIV-positive Patient:innen mit nachgewiesener AIN, die randomisiert entweder mit TCA oder mit ECA behandelt wurden. Während sich die Nichtunterlegenheit von TCA gegenüber ECA nach vier Wochen noch nicht nachweisen ließ, konnte sie nach 24 Wochen Follow-up belegt werden. Die langfristige Wirksamkeit der TCA-Therapie erwies sich somit als vergleichbar mit der der ECA – wobei unter TCA signifikant mehr Behandlungen erforderlich waren. Gleichzeitig berichteten Patient:innen der TCA-Gruppe über deutlich geringere Schmerzen (21% vs 36%). Fazit: Beide Verfahren sind gleich effektiv, die TCA ist jedoch besser verträglich und einfacher durchzuführen – was für den breiten Einsatz relevant sein dürfte.




Interview mit Prof. Dr. Christoph Spinner, München
Aufbruch in Afrika

Christoph Spinner, Stefan Esser, Roger Vogelmann in Kigali (vlnr)
Christoph Spinner, Stefan Esser, Roger Vogelmann in Kigali (vlnr)© C. Spinner

Kigali in Rwanda ist ein eher ungewöhnlicher Ort für eine wissenschaftliche Konferenz. War es auch eine ungewöhnliche Konferenz?

Spinner: Das war es. Auf den Aids-Kongressen vorher wurde viel über Afrika gesprochen, diesmal sprach Afrika über Afrika. Sehr viele Teilnehmer kamen aus afrikanischen Ländern, es waren viele afrikanische Communities vor Ort. Die Stimmung war nicht gedrückt, trotz der einschneidenden Kürzungen. Im Gegenteil, das Motto „We will not go back!“ war der afrikanische Aufruf, weiter nach vorne zu schauen und zu gehen.

Was hat sich geändert in Afrika – bei den Communities?

Spinner:Die politischen Rahmenbedingungen haben sich geändert. Nicht nur in den westlichen Ländern gibt es ein Erstarken des nationalen Gedankens. Zeitgleich geht die westliche Unterstützung massiv zurück. Die Notwendigkeit einer Neuorientierung gepaart mit einem neuen Selbstbewusstsein scheint die afrikanischen Communities zu beflügeln.

Wie viele Teilnehmer waren in Kigali?

Spinner:Entgegen den Erwartungen der IAS sind mehr als 3.300 Leute nach Kigali gereist. Bei der Eröffnung war der Saal brechend voll. Sehr viele Teilnehmer kamen wie erwähnt aus Afrika. Aus Europa waren nicht viele angereist, aus Deutschland waren nur 10 Personen vor Ort. Die USA war aufgrund der neuen Restriktionen wissenschaftlich und personell quasi nicht vertreten und auch die Pharmaindustrie hatte nur ein paar Vertreter ihrer globalen Teams geschickt.

Wie hat es vor Ort geklappt?

Spinner:Die Organisation war exzellent. Die Stadt selbst ist sauber und sehr sicher, man kann sogar nachts zu Fuß gehen, was in kaum einer afrikanischen Großstadt möglich ist. Rwanda wird nicht umsonst die Schweiz Afrikas genannt.

Im Rückblick: Sollten internationale wissenschaftliche Tagungen in Zukunft häufiger an „ungewöhnlichen“ Orten stattfinden?

Spinner:Ein ganz klares Ja! Sicherlich ist es einfacher in westlichen Städten eine solche Konferenz zu organisieren, doch es ist wichtig, dorthin zu gehen, wo die von HIV betroffenen Menschen leben. Auch wenn es insgesamt weniger Teilnehmer sind, es kommen mehr aus den betroffenen Ländern. Wir müssen mit diesen Menschen in Dialog treten, die Ärzteschaft vor Ort aktivieren und mit den politischen Entscheidern diskutieren. Das bewegt viel mehr, als wenn wir zu uns in den Elfenbeinturm einladen.



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