Ulrich Seybold, München
Opportunistische Infektion: Bazilläre Angiomatose

Die bazilläre Angiomatose ist eine seltene Manifestation einer Bartonellen-Infektion, die v.a. bei Menschen mit weit fortgeschrittener HIV-Infektion auftritt, weniger häufig bei Immunsuppression anderer Genese.

Die bazilläre Angiomatose (BA) wird durch die Bartonellen-Species B. henselae und B. quintana verursacht. Sie tritt mit kutanen und seltener mit viszeralen Manifestationen (bei Leberbefall als bazilläre Peliosis hepatis) fast ausschließlich bei Menschen mit Immundefizienz auf, insbesondere im Spätstadium einer HIV-Infektion mit CD4-Lymphozyten <50/µl. In der weiterhin oft verwendeten CDC-Klassifikation von 1993 gilt die BA als HIV-assoziierte Erkrankung
(Kategorie B), aber nicht als AIDS-definierende Erkrankung.

Transmission

Durch B. quintana verursachte BA-Läsionen treten bei Menschen mit HIV-Infektion typischerweise bei Kleiderlausbefall auf, z.B. im Kontext von Obdachlosigkeit. Dagegen sind B. henselae-Infektionen mit Katzenkontakt assoziiert. Der Katzenfloh Ctenocephalides felis ist der Vektor für B. henselae bei Katzen, die Übertragung auf den Menschen erfolgt am wahrscheinlichsten durch Kratzer mit durch Kot von B. henselae-infizierten Flöhen kontaminierten (Katzen-)Krallen.

In einigen Regionen der USA liegt die Prävalenz der B. henselae-Bakteriämie bei Hauskatzen bei fast 50%. In Deutschland wird B. henselae bei bis zu 10% der Katzen nachgewiesen. Infektionen treten häufiger bei Jungtieren <1 Jahr und streunenden/verwilderten Katzen auf. Die Bekämpfung des Katzenflohbefalls und die Vermeidung von Katzenkratzern sind daher wichtige Strategien zur Vorbeugung von B. henselae-Infektionen insbesondere bei Menschen mit HIV-Infektion.

Die (allerdings ungenügend erfasste) Inzidenz der BA in Deutschland und weltweit ist aufgrund der sehr effektiven antiretroviralen Therapie zurückgegangen, sie bleibt aber eine wichtige Differenzialdiagnose bei schwer immundefizienten Personen. Bei diesen kann die bazilläre Angiomatose chronisch über Monate mit intermittierender Bakteriämie sowie kutanen und ggfs. viszeralen Läsionen verlaufen.

Klinisches Bild

Bazilläre Angiomatose
Bazilläre Angiomatose

Pathophysiologisch steht eine ausgeprägte angiogenetische Reaktion der infizierten Endothelzellen im Vordergrund, die sich histologisch durch proliferierte Blutgefäße mit neutrophilen Infiltraten und etwa in der Warthin-Starry-Silberfärbung nachweisbaren Bakterienkolonien zeigt.

Die kutanen Läsionen fallen als rot-violette, angiomatöse Papeln oder Knoten auf, die differentialdiagnostisch u.a. von Kaposi-Sarkomen abgegrenzt werden müssen. Die Läsionen können trocken-schuppig sein und auch ulzerieren. Auch ein tieferer subkutaner, intramuskulärer oder oft schmerzhafter ossärer (v.a. durch B. quintana) Befall ist möglich. Viszerale Läsionen können im Gastrointestinaltrakt, Leber (Peliosis hepatis, B. henselae), Milz, Lymphknoten und auch am Auge oder im ZNS auftreten. Begleitend können systemische Symptome wie Fieber, Gewichtsverlust und Nachtschweiß vorliegen. Andere Differenzialdiagnosen sind daher neben gutartigen Tumoren wie dem Granuloma pyogenicum („Schwangerschaftstumoren“) oder Hämangiomen auch maligne Erkrankungen wie Metastasen, Lymphome oder Angiosarkome sowie andere infektiös bedingte Angioproliferationen etwa bei Mykobakteriosen.

Diagnostik

Zur Diagnose können neben einer typischen Anamnese mit ausgeprägter Immundefizienz der Kontakt zu Katzen bzw. ein Lausbefall beitragen. Serologische Untersuchungen sind aufgrund einer Kreuzreaktivität mit z.B. Coxiellen oder Chlamydien oft schwierig zu interpretieren und vor allem bei fortgeschrittenem Immundefekt möglicherweise nicht ausreichend sensitiv. Ein kultureller Nachweis aus Biopsiematerial oder Blut ist generell möglich, gelingt aber häufig nicht. Damit kommt neben der Histologie dem Direktnachweis mittels Nukleinsäureamplifikationsverfahren eine immer größere Bedeutung zu. Adäquates Untersuchungsmaterial sind frisches (auch gefrorenes) oder formalinfixiertes in Paraffin eingebettetes Gewebe sowie verschiedene Körperflüssigkeiten. Auch metagenomisches Next Generation Sequencing (mNGS) wird inzwischen zur Diagnosestellung eingesetzt. Bei viszeralem Befall sind Sonographie, CT oder MRT zur initialen Diagnostik und Verlaufskontrolle hilfreich. Eine initial positive Serologie kann zur Verlaufsbeurteilung im Rahmen einer Therapie verwendet werden.

Therapie

Außer zu diagnostischen Zwecken ist eine chirurgische Intervention selten notwendig. Die Datenbasis für die verschiedenen Empfehlungen zur medikamentösen Therapie ist limitiert und besteht vor allem aus Fallberichten. Die im Kontext einer HIV-Infektion primär empfohlene antibiotische Therapie der Katzenkratzkrankheit, BA, Peliosis hepatis, Bakteriämie (ohne Endocarditis) sowie Osteomyelitis ist entweder

  • Doxycyclin 100 mg 2x tgl. oder
  • Erythromycin 500 mg 4x tgl. oder
  • Clarithromycin 500 mg 2x tgl.,

wobei in Deutschland statt Erythromycin/Clarithromycin trotz geringerer Evidenzbasis aus Gründen von Verträglichkeit, Nebenwirkungsspektrum und adhärenzfördernder Convenience eher

  • Azithromycin 500 mg 1x tgl.

Verwendung finden dürfte.

Für Infektionen mit ZNS-Beteiligung soll primär kein Makrolid, sondern die kombinierte Gabe von

  • Doxycyclin 100 mg 2x tgl.
  • plus Rifampicin 300 mg 2x tgl.

eingesetzt werden.

Die Therapiedauer beträgt mindestens 8–12 Wochen. Die US-amerikanischen Leitlinien empfehlen für Menschen mit HIV-Infektion generell ≥3 Monate. Bei viszeralem Befall kann je nach Verlauf auch eine längere Therapiedauer notwendig werden. Bei Personen ohne Immundefizienz waren auch kürzere Schemata erfolgreich.

Auch Makrolide können in schwereren Fällen mit Rifampicin kombiniert werden. Für die Initialtherapie kann
jeweils eine i.v.-Gabe erwogen werden. Falls die primär empfohlenen Substanzen nicht anwendbar sind, kann ggfs. auf Cephalosporine der Gruppe 3 ausgewichen werden.

Im Fall eines Rezidivs nach leitliniengerecht erfolgter Therapie über ≥3 Monate kann nach erneuter ≥3-monatiger Therapie mit einem alternativen Regime eine langfristige Suppressions-Therapie mit Doxycyclin oder einem Makrolid sinnvoll sein. Diese Therapie kann nach Stabilisierung des Immunstatus mit CD4-Zellen ≥200/µl über ≥6 Monate beendet werden. Auch hier kann der serologische Titerverlauf (z.B. Abfall um den Faktor 4) in die Therapieentscheidung einbezogen werden.

Bei bestätigter Bartonellen-Endocarditis wird bei Menschen mit HIV-Infektion eine Initialtherapie über 6 Wochen mit

  • Doxycyclin 100 mg 2x tgl.
  • plus Rifampicin 300 mg 2x tgl.

und anschließend für weitere ≥3 Monate eine Monotherapie mit

  • Doxycyclin 100 mg 2x tgl.

empfohlen.


1 McCormick DW, Rassoulian-Barrett SL, Hoogestraat DR, et al. Bartonella spp. Infections Identified by Molecular Methods, United States. Emerg Infect Dis 2023; 29(3): 467-76.

2 Panel on Guidelines for the Prevention and Treatment of Opportunistic Infections in Adults and Adolescents with HIV. Bartonellosis. Guidelines for the Prevention and Treatment of Opportunistic Infections in Adults and Adolescents With HIV National Institutes of Health, HIV Medicine Association, and Infectious Diseases Society of America 2025: verfügbar unter https://clinicalinfo.hiv.gov/en/guidelines/adult-and-adolescent-opportunistic-infection, zuletzt abgerufan am 24. Mai 2025.

3 Robert Koch Institut. Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten. 2011; verfügbar unter https://edoc.rki.de/bitstream/handle/ 176904/3724/steckbriefe.pdf: Seiten 72-3.

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7 KRINKO. Anforderungen an die Infektionsprävention bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten – Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2021; 64(2): 232-64.

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10 Polena H, Boudou F, Tilleul S, et al. Mycobacterium tuberculosis exploits the formation of new blood vessels for its dissemination. Sci Rep 2016; 6: 33162.

11 Wang Q, Miao Q, Pan J, et al. The clinical value of metagenomic next-generation sequencing in the microbiological diagnosis of skin and soft tissue infections. Int J Infect Dis 2020; 100: 414-20.

12 Stroffolini G, Rambiki K, Wallrauch C, Tomoka T, Brunetti E, Heller T. Case Report: Role of Point-of-Care Ultrasound in the Diagnosis of Bacillary Angiomatosis. Am J Trop Med Hyg 2023; 109(1): 38-41.

13 European AIDS Clinical Society. Bacillary Angiomatosis. Guidelines Version 12.1. 2024: verfügbar unter https://eacs.sanfordguide.com/eacs-part1/eacs-section4/ois/eacs-bacillary-angiomatosis.

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