Kasuistik Dr. Thilo Haupert, Berlin
Urban trench fever in Brandenburg
Diagnostik
Klinisch fielen multiple, narbige hypo- und hyperpigmentierte Hautareale an Schultergürtel, Armen und Beinen auf. Der Patient führte diese auf „Bettwanzen“ zurück, denen er in der Gartenlaube ausgesetzt wäre. Die Vitalparameter waren bis auf Fieber bis 38,8°C unauffällig (RR 137/99 mmHg, HF 99 /min, GCS 15). Laborchemisch zeigten sich erhöhte Entzündungsparameter mit einer Leukozytose von 15/nl und einem CrP-Wert von 59 mg/dl. Im Röntgen-Thorax fanden sich pneumonische Infiltrate im rechten Unterlappen.
Eine, bereits in der Rettungsstelle durchgeführte, cCT ließ einen subakuten Mediainfarkt rechts erkennen, der sich in der cMRT bestätigte. Die neurologische Nachuntersuchung zeigte passend hierzu eine linksseitige Hemiparese mit Neglect.
Verlauf
Abb. 1 Aortenklappe ohne flottierende Vege- tation. Unspezifische, rundliche Verdickung des Klappenrandes ©v. Dr. med. Jörg Hering
In der Folge wurde der Patient auf der Stroke Unit aufgenommen. Als Ursache des Hirninfarkts wurde primär eine schwere Atheromatose im Rahmen des ausgeprägten, langjährigen Tabakabusus mit M2-Stenose rechts gewertet und eine Sekundärprophylaxe eingeleitet. Zudem war bereits in der Rettungsstelle eine antiinfektive Therapie mit Ceftriaxon begonnen worden.
Die neurologischen Defizite bildeten sich im Verlauf rasch vollständig zurück und auch die Entzündungsparameter und das Fieber waren rückläufig.
Endokarditis?
Im Rahmen der Umfelddiagnostik waren in der transösophagealen Echokardiographie deutlich degenerativ veränderte Aorten-, Mitral- und Trikuspidalklappen mit unregelmäßig fibrotisch verdickten Klappenrändern auffällig. Die unspezifischen Veränderungen wurden im interdisziplinären Endokarditis-Board (Kardiologie – Infektiologie) aufgrund des Patientenalters als ungewöhnlich eingestuft und primär als postentzündlich dd degenerativ gewertet.
In den, vor Beginn der antiinfektiven Therapie, abgenommenen Blutkulturen ließ sich kein Erreger kultivieren. Eine serologische Testung auf Coxiella burnetii, Bartonella quintana und Brucella spp. wurde veranlasst. Im Verlauf erging folgender Befund durch das zuständige Labor:
Kleiderlausbefall?
Kleiderläuse gehen in der Regel nicht von Textilien auf den menschlichen Körper über. Sie halten sich lieber in den Falten und Nähten der Kleidung auf. Textilien können mit Kontaktinsektiziden wie mosquito® Läuse- & Insekten-Umgebungsspray desinfiziert werden. Alternativen sind Lagerung in Plastik für mindestens vier Wochen, Einfrieren über 24 Stunden oder trockene Hitze von über 60°C eine halbe bis eine ganze Stunde. Pedikulozide sind zwar nur zur Behandlung von Kopfläusen zugelassen, aber auch gegen Kleiderläuse wirksam, da die Substanzen im Labor an Kleiderläusen geprüft werden, da diese sich besser zur Anzucht eignen. Hier ist die Entwicklungszeit der Läuse zu berücksichtigen. Nach sieben Tagen muss erneut therapiert werden.
- B. quintana IgG (Immunfluoreszenztest, IFT) > 1:8192,
- B. quintana IgM IFT 1:20.
Dementsprechend war die Diagnose einer Bartonella-quintana-Endokarditis zu stellen.
Therapie
Die empfohlene antiinfektive Therapie ist eine initiale Kombination aus Gentamicin und Doxycyclin für 14 Tage (alternativ Ceftriaxon) gefolgt von einer Monotherapie mit Doxycyclin für mindestens weitere 28 Tage. Zum Zeitpunkt des Serologie-Ergebnisses bzw. der Diagnosestellung hatte sich der Patient bereits selbst entlassen. Der Versuch, ihn zur Einleitung der antiinfektiven Therapie zu kontaktieren – auch unter Einbeziehung der Polizei – blieb leider erfolglos. Daher liegen uns keine Informationen zum weiteren Verlauf vor.
Diskussion/Fazit
Der vorliegende Fall unterstreicht die Bedeutung der Sozialanamnese und einer gezielten, serologischen Diagnostik, um bei entsprechender Risikokonstellation auch seltene und schwer zu detektierende Erreger erfassen zu können.
Abb. 2 Kleiderlaus nach Blutmahlzeit ©Wikipedia, aus der Public Health Image Library (PHIL)
Die Transmission von Bartonella quintana erfolgt über den infektiösen Kot der Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis), der durch Kratzen inokuliert wird (siehe Abb. 2). Das klassische „Trench Fever“ ist gekennzeichnet durch drei bis vier Fieberepisoden mit asymptomatischen Intervallen von ca. fünf Tagen, Myalgien, Kopf- und Knochenschmerzen sowie eine Splenomegalie. Neben der akuten Form kann der Erreger intraerythrozytär persistieren und über Monate bis Jahre als chronische, subklinische low-level-Bakteriämie bestehen. Hauptrisikofaktoren für eine B. quintana-Infektion sind Obdachlosigkeit, Alkoholmissbrauch, ein niedriger sozioökonomischer Status und die damit oft einhergehenden, schlechten Hygienebedingungen. In der Anamnese sollte aktiv nach einem Läusebefall gefragt werden.
Obwohl die Infektion selten vorkommt, ist B. quintana ein relevanter Erreger infektiöser Endokarditiden. Bis zu 28% der Blutkultur-negativen Endokarditiden sind auf Bartonella spp. zurückzuführen, wobei etwa 75% der Fälle durch B. quintana verursacht werden. Der Erreger wächst langsam und lässt sich normalerweise in Standard-Blutkulturen nicht kultivieren. Hilfreich für die Diagnose-Stellung ist daher die Serologie mittels indirekter Immunofluoreszenz (IFT). Entsprechend der aktualisierten Duke-Kriterien (ISCVID, 2023) gilt ein IgG-Titer >1:800 als Major-Kriterium. Alternativ ist ein direkter Nachweis mittels molekulargenetischer Verfahren aus den intraoperativ asservierten Herzklappen möglich.
Dr.
Thilo Haupert
Infektiologie
Vivantes
Klinikum Neukölln
Rudower
Str. 48, 12351 Berlin
E-Mail:
Thilo.Haupert@vivantes.de