Hepatitis B (und D) – Schwangerschaft und Stillen
Quelle: who. int
Weltweit leben etwa 254 Millionen Menschen mit Hepatitis B, davon sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ca. 65 Millionen Frauen im reproduktiven Alter. In der Allgemeinbevölkerung in Deutschland liegt die Hepatitis-B-Surface-Antigen-Prävalenz (HbsAg) bei 0,3% der Erwachsenen. Die vertikale Transmission einer Hepatitis B-Infektion ist abhängig von der Viruslast. Bei einer hohen Viruslast von ≥107–108 IU/ml liegt das Übertragungsrisiko bei bis zu 32%. Bei einer Viruslast von <200.000 IU/ml ist keine Übertragung der HBV-Infektion auf das Kind beschrieben. Eine Reduktion der Viruslast vor der Geburt vermindert daher das Risiko der Transmission substantiell. Die Entwicklung einer chronischen HBV-Infektion ist stark altersabhängig. Während nach Infektion Erwachsene nur in 5-10% eine chronische HBV-Infektion entwickeln, kommt es bei Neugeborenen bei bis zu 95% zur Chronifizierung.
Screening
Die
Mutterschaftsrichtlinie sieht seit April 2023 ein Screening auf
Hepatitis B mittels HBsAg schon im ersten
Trimenon der
Schwangerschaft vor. In Ausnahmefällen kann auch eine
HBsAg-negative, isoliert Anti-HBc-positive Mutter das Virus auf das
Kind (wenn nicht geimpft) übertragen. Da hieraus aber im Regelfall
keine chronischen Infektionen resultieren, wird die Bestimmung von
Anti-HBc in der Schwangerschaft nicht empfohlen.
Impfung
Quelle: S3-Leitlinie DGVS, Z Gastroenterol 2021; 59: 691-776
Eine Hepatitis B-Impfung in der Schwangerschaft ist prinzipiell möglich, sollte aber nur bei strenger Indikation erfolgen (z.B. der Partner ist HBV virämisch).
Verlauf Hepatitis B
Bei HBsAg-positiven Patientinnen wird eine regelmäßige (mindestens alle 3 Monate) Bestimmung von ALT und HBV-DNA während der Schwangerschaft und mindestens bis 6 Monate nach Entbindung empfohlen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle normalisieren sich die Transaminasen während einer Schwangerschaft. In seltenen Fällen ist jedoch eine Aktivierung der Hepatitis B während einer Schwangerschaft beschrieben worden. Schübe der Hepatitis B in den drei bis sechs Wochen nach der Entbindung sind nicht ungewöhnlich. Es gibt Hinweise, dass die ALT-Flares post-partum mit der Höhe der HBV-DNA zu Beginn der Schwangerschaft korrelieren. Eine regelmäßige Kontrolle der Leberwerte in dieser Zeit ist empfehlenswert.
Therapie
Bei Schwangeren, die bislang keine antivirale Therapie erhalten, soll bei Nachweis einer aktiven Hepatitis gemäß den Empfehlungen für nicht schwangere Frauen eine Therapie angeboten werden. Liegt die HBV-DNA-Konzentration >200.000 IU/ml soll eine Behandlung angeboten werden, um das Risiko der vertikalen Transmission zu reduzieren.
Die Therapie sollte möglichst früh nach dem 1. Trimenon eingeleitet werden, um die Viruslast bis zur Geburt <200.000 IU/ml zu senken. Bei Schwangeren untersucht sind die Nukleos(t)idanaloga Lamivudin (LAM), Telbivudin (TVD) und Tenofovir (TDF), hierbei ist TDF bevorzugt einzusetzen.
Hat eine Schwangere bereits vor der Schwangerschaft eine antivirale Therapie eingenommen, soll eine Überprüfung der Behandlunsindikation erfolgen. Eine Behandlung mit LAM, TVD oder TDF kann dann fortgesetzt werden. Adefovir, Entecavir und pegyliertes Interferon alfa sollte auf TDF umgestellt werden.
Es gibt keine klare Empfehlung zur Dauer der antiviralen Therapie nach der Geburt. Die Therapie kann weitergeführt werden und in Anlehnung an die Leitlinien für nicht-schwangere Personen gegebenenfalls beendet werden.
Geburt
Die Frage, ob eine Sectio das Risiko einer vertikalen Transmission reduzieren kann, wird aufgrund der heterogenen Datenlage kontrovers diskutiert und eine Sectio wird nicht generell empfohlen. Eine Sectio ausschließlich zur Verhinderung der vertikalen Transmission wird nicht empfohlen, wenn die HBV-DNA-Konzentration der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt <200.000 IU/ml ist und das Neugeborene aktiv-passiv geimpft werden kann. Bei einer HBV-DNA-Konzentration von >200 000 IU/ml zum Zeitpunkt der Geburt kann eine Sectio nach sorgfältiger Nutzen- und Risikoabschätzung mit der Schwangeren überlegt werden.
Neugeborenen-PEP
Ist die Mutter HBsAg-positiv, soll das Neugeborene unmittelbar, d.h. innerhalb der ersten 12 Stunden post partum aktiv-passiv gegen Hepatitis B immunisiert werden. Das Neugeborene erhält hierbei die aktive Impfung plus das Hepatitis-B-Immunglobulin (30-100 IU Anti-HBs pro kg KG). Bei Neugeborenen von Müttern mit hoher Viruslast (HBV-DNA-Konzentration >200.000 IU/ml) soll die Immunisierung besonders früh (innerhalb der ersten vier Stunden nach der Geburt) begonnen werden.
Vier bis acht Wochen nach Ende der Grundimmunisierung soll durch Bestimmung von anti-HBs der Impferfolg beim Säugling überprüft und durch zusätzliche Testung von HBsAg und anti-HBc ein Versagen der Postexpositionsprophylaxe ausgeschlossen werden. Bei Frühgeborenen verschiebt sich dieser Zeitpunkt, da diese ein 4-Dosenschema (0, 1, 5 und 9 Monate) erhalten, um die gegenüber Reifgeborenen niedrigere Serokonversionsrate zu steigern.
Stillen
Säuglinge HBs-Ag positiver Mütter können nach korrekt durchgeführter aktiv-passiven Immunisierung (Simultanimpfung) und Durchführung der entsprechenden Folgeimpfungen gestillt werden. Dabei stellt das Stillen des Säuglings kein zusätzliches Risiko für die Infektion durch HBV dar. Das Stillen sollte nur bei blutigen Brustwarzen pausiert werden.
Auch gibt es bislang keine Sicherheitsbedenken hinsichtlich der Fortführung einer antiviralen Therapie mit TDF bei stillenden Frauen. Die LAM- und TDF-Konzentrationen in der Muttermilch scheinen sehr gering zu sein, für TDF nachgewiesen ist eine niedrigere Exposition über die Muttermilch als in utero.
Auch bei Absetzen der antiviralen Therapie während der Stillzeit ist bei korrekt durchgeführter Simultanimpfung des Neugeborenen und Einhaltung der folgenden Impfabstände kein erhöhtes Risiko der HBV Übertragung auf den Säugling nachgewiesen.
Hepatitis D
Das Hepatitis D-Virus hat den gleichen Transmissionsmodus wie HBV, kann aber als inkomplettes Virus nicht ohne das HB-Virus existieren. Eine Infektion erfolgt daher entweder als simultane HBV/HDV-Koinfektion oder als Superinfektion bei einer Person bereits existierender HBV-Infektion. Eine vertikale Transmission einer HBV/HDV-Koinfektion ist prinzipiell möglich, aber sehr selten. Grund dafür könnte die in der Regel geringe HBV-Viruslast bei einer HBV/HDV-Koinfektion sein.
Jede Person mit HBV-Infektion soll auf eine HDV-Koinfektion getestet werden. Als weitere Empfehlungen für die HBV/HDV Koinfektion in der Schwangerschaft gelten die Leitlinien zur HBV-Monoinfektion.
HIV/HBV-Koinfektion
Es gelten die gemeinsamen Leitlinien der deutschen und österreichischen Aids-Gesellschaften zur HIV-Infektion. Im Hinblick auf die Hepatitis B soll das antiretrovirale Regime In der Schwangerschaft TDF oder TAF als eine gegen HBV wirksame Substanz enthalten.