Dr. Annette Haberl, Frankfurt Dr. Ramona Pauli, München
Update Leitlinie HIV-Therapie in der Schwangerschaft
Tab. 1 Empfohlene ART-Regime für die HIV-Erstlinientherapie in der Schwangerschaft © Quelle: Tab 1, 2 und Abb. 1 aus Dt.-Österr. Leitlinie zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft (Stand März 2025)
Bei den Empfehlungen zur Behandlung von Schwangeren mit HIV spielt die klinische Erfahrung, d.h. die Daten von Schwangeren unter antiretroviraler Therapie eine entscheidende Rolle. Besondere Bedeutung kommt hier dem in den USA verorteten internationalen Schwangerschaftsregister zu (Antiretroviral Pregnancy Registry/ apregristy.com). Hinzu kommen Ergebnisse aus randomisierten Studien zur ART in der Schwangerschaft, die vor allem in HIV-Hochprävalenzländern durchgeführt werden.
Was ist neu?
Für die Erstlinientherapie in der Schwangerschaft wird nach wie vor ein 3er-Regime empfohlen. Hier wurde Biktarvy neu in die empfohlenen Therapieregime aufgenommen. Die duale Therapie mit Dolutegravir/Lamuvidin kann – bei engmaschiger Kontrolle der Viruslast – als Alternative eingesetzt werden. Bei den NRTI wurde neben TDF jetzt auch TAF in die Liste der empfohlenen Substanzen aufgenommen. Als Kombinationspartner können neben den INSTI Bictegravir und Dolutegravir, der Proteasehemmer Darunavir geboostert mit Ritonavir und der NNRTI Rilpivirin eingesetzt werden. Zu Doravirin liegen derzeit noch nicht genügend Daten zum Einsatz in der Schwangerschaft vor und somit bleibt es hier im Unterschied zur allgemeinen ART-Leitlinie bei einer individuellen Entscheidungsfindung (Tab. 1).
Individuelle Entscheidung beim Weiterführen neuer Substanzen
Abb. 1 Maßnahmen zur Reduktion der vertikalen HIV-Übertragung bei schwangeren Personen mit einer nachweisbaren Viruslast bei Entbindung. Neben der stets empfohlenen antiretroviralen Therapie in der Schwangerschaft orientieren sich diese eskalierenden Prophylaxemaßnahmen an der Höhe der HIV-RNA der schwangeren Person
Antiretrovirale Regime werden bei jungen Frauen zumeist auch im Hinblick auf eine mögliche ungeplante Konzeption ausgewählt, um Therapiewechsel in der Schwangerschaft zu vermeiden. Gemäß der neuen Empfehlungen sollte auch eine mütterliche ART mit nicht primär empfohlenen Substanzen – sofern sie effektiv und verträglich ist – möglichst weitergeführt werden. Eine tabellarische Übersicht zum Einsatz antiretroviraler Substanzen in der Schwangerschaft bietet eine gute Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung (Tab. 2). Die Tabelle wurde aktualisiert, wobei auch die Anzahl der im internationalen Schwangerschaftsregister erfassten Ersttrimesterexpositionen mit der entsprechenden Fehlbildungsrate angegeben werden. Ebenfalls neu in der Tabelle ist die Unterscheidung zwischen „Empfehlung bei Therapiebeginn“ und „Empfehlung beim Weiterführen“ mit Begründung.
Entbindung und Neo-PEP
Tab. 2 Übersicht zum Einsatz antiretroviraler Substanzen in der Schwangerschaft
Im Hinblick auf den Entbindungsmodus, die intra- und postpartale Expositionsprophylaxe gibt es keine Änderungen. Frauen mit einer nicht nachweisbaren Viruslast (<50 Kopien/ml) können vaginal entbinden. Die intrapartale Expositionsprophylaxe soll in diesem Fall nicht erfolgen. Die Neo-PEP für das Neugeborene kann bei supprimierter maternaler Viruslast ebenfalls entfallen.
Bei nachweisbarer mütterlicher Viruslast wird weiterhin eine elektive Sectio, eine intrapartale AZT-Gabe sowie eine risikoadaptierte Postexpositionsprophylaxe empfohlen (Abb. 1).
Stillen
Zum Stillen hat sich die neue Leitlinie eindeutig positioniert. Frauen mit supprimierter Viruslast können stillen, bei nachweisbarer Viruslast soll weiterhin vom Stillen abgeraten werden. Kontrollen der mütterlichen Viruslast sollten im ersten Monat nach der Entbindung und dann alle zwei Monate erfolgen. Die Inhalte der Beratung zum Stillen wurden überarbeitet und ergänzt und es gibt jetzt auch Empfehlungen zum Vorgehen bei einem Anstieg der Viruslast auf >50 Kopien bei der stillenden Person. Unabhängig von der Stilldauer, bei der die Leitlinie keine zeitliche Begrenzung vorsieht, ist es unablässig, nach dem Abstillen eine vertikale HIV-Transmission beim Säugling sicher auszuschließen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die aktualisierte Leitlinie mehr Normalität für Schwangere mit HIV und ihre exponierten Kinder ermöglicht. Die Leitliniengruppe wird ergänzend zu den aktualisierten Empfehlungen noch Informationsmaterial erarbeiten, dass über die Homepage der DAIG zur Verfügung gestellt wird.